aus Arpo Nummer 2, 2003

 D I E   S O Z I A L D E M O K R AT I E   S C H A U F E LT   S I C H   I H R   E I G E N E S   G R A B

Frontalangriff auf Gewerkschaften und Sozialsysteme

Am 14. März wurde im Bundestag zelebriert, was seit Wochen u.a. von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Simonis in ihrer »Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede« gefordert wurde und in den bürgerlichen Medien als »Schröders Befreiungsschlag« herumgeisterte: die Regierungserklärung von Rot-Grün, mit der erneut tiefe Einschnitte in den »Sozialstaat« angekündigt wurden. Ob Job-AQTIV-Gesetz, Hartz-Kommission, Rürup I und Rürup II: der Sozialabbau geht ungehemmt weiter.

Während Unternehmervertreter Rogowski klagt, der »Gordische Knoten« sei zwar »gelockert, aber nicht durchschlagen worden«, ist DGB-Chef Sommer mal wieder »enttäuscht« über diese Regierung, die die Gewerkschaften – Hartz hin, Rürup her – in der letzten Bundestagswahl als die »ihrige« erneut gefördert haben und der sie auch in der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes nicht weh getan haben. Die Gewerkschaftsspitzen tun alles, um Widerstand gegen den Sozialabbau einzufangen und unter Kontrolle zu halten. Vorsorglich, denn man fürchtet Reaktionen aus der Mitgliedschaft. Trotzdem schallt den Funktionären von vielen Seiten, vor allem aus der von der SPD nicht gewonnenen »Neuen Mitte«, entgegen, sie seien das eigentliche Problem, eine »Plage für unser Land« (Westerwelle, FDP), eine Blockade für die freie Durchsetzung unternehmerischer Logik. Sie werden verantwortlich gemacht für den »Reformstau« in Politik und Gesellschaft, vor allem aber – und gerade dieses Argument soll sie besonders wirksam in ihrer eigenen Mitgliedschaft diskreditieren – für die anhaltende Massenarbeitslosigkeit. Als Interessenvertretung der so genannten Arbeitsplatzinhaber sollen sie die eigentlichen »Betonköpfe« und Feinde der »Modernisierung« sein. In Politiker-Statements, in Talk-Shows und Umfragen wird entgegen der Realität und vor allem entgegen der wirklichen Rolle der Gewerkschaftsspitzen die Gebetsmühle gedreht, in diesem Land hätten die Gewerkschaften »zu viel Macht«, und in Meinungsumfragen wie dem »Politbarometer« des ZDF wird die Wirksamkeit dieser Gehirnwäsche nachgewiesen. Ihr Einfluss müsste zerschlagen werden, die Bundesregierung nun endlich jenseits der »Verbandsinteressen« Entscheidungen fällen, wieder politische Handlungsfähigkeit demonstrieren und die Wirtschaft voranbringen. Wie sie es am liebsten hätten, äußert z.B. der CDU-Politiker Merz mit der Aufforderung: »Wer einen Sumpf trocken legen will, darf nicht vorher die Frösche fragen.« Die dabei zugrunde gehenden Frösche sind für ihn die abhängig Beschäftigten.

Gewerkschaften auf dem Rückzug

Als die Unternehmerverbände Mitte der neunziger Jahre forderten, die Lohnkosten um 30 Prozent zu senken, standen die Gewerkschaften vor der Alternative, den Widerstand in den eigenen Reihen durch Mobilisierung der Mitglieder real aufzubauen oder durch verbalen Protest Unternehmer und Staat zu bitten, es nicht so schlimm kommen zu lassen, »sozialverträglich« abzuwickeln und die Gewerkschaften mit im Boot zu belassen. Sie wählten – ohne große Diskussion – die zweite Möglichkeit, sich eher als Lobbyvereinigung zu verhalten denn als Klassenorganisation. Der deutlichste Ausdruck dieser Politik war – und ist – das »Bündnis für Arbeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ausbildung«. Es wurde seinerzeit von dem IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel vorgeschlagen und diente lediglich der Einbindung der Gewerkschaften in die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung sowie in Absprachen mit den Unternehmerverbänden selbst, bis hin

zu Abmachungen über die Tarifpolitik (deutlich vor allem in der Tarifrunde des Jahres 2000). Die laufenden Verschlechterungen unter den Regierungen Kohl und Schröder konnten damit beinahe geräuschlos abgewickelt werden. In den Betrieben wurden befristete Beschäftigung und Lockerung des Kündigungsschutzes vorangetrieben: im Einzelhandel durch Novellierung des Ladenschlussgesetzes, in der Bauindustrie durch das Entsendegesetz, allgemein durch die Zulassung und Förderung geringfügiger Beschäftigung und von Leiharbeit. Demonstrationen gegen solche Abbaumaßnahmen, z. B. beim Ladenschluss oder bei der Lohnfortzahlung, wurden nur halbherzig und nach Branchen isoliert geführt und bewirkten letztlich nur, das einzelne Maßnahmen abgemildert wurden. Noch geringer, wenn überhaupt, fiel der gewerkschaftliche Protest bei den Angriffen gegen Arbeitslose, SozialhilfebezieherInnen und Rentner aus; die ständigen Kürzungen bei Arbeitslosengeld und -hilfe bzw. die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitsvermittlung schienen die Gewerkschaftsvorstände kalt zu lassen.

Immerhin gab es in den neunziger Jahren noch Aktionen wie die gegen die Herabsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch die Regierung Kohl; in diesem Fall waren die Proteste ohne und zum Teil gegen den Willen der Gewerkschaftsführung organisiert worden. Sie waren ein Alarmzeichen dafür, das es durchaus ein Potenzial gibt, das der Führung aus der Hand gleiten könnte. Die Unternehmer wollten sich damit nicht anlegen, sie setzten die Kürzung des Krankengeldes in der Regel nicht um. Sie forderten aber weiterhin von der Regierung die Organisation des Sozialabbaus. Die Kohl-Regierung war dafür kein sicherer Garant mehr, weil sie innergewerkschaftlich ein zu offensichtliches Feindbild abgab. Der Wechsel zu Rot-Grün kam der Mehrheit im Unternehmerlager durchaus gelegen.

Rot-Grün hat dem traditionell auf die sozialdemokratische Regierungsalternative fixierten gewerkschaftlichen Widerstand nicht nur die Spitze abgebrochen, sondern gleich die Perspektive genommen. Nach ersten Zugeständnissen an die gewerkschaftliche Wählerbasis – z.B. Wiederherstellung des Kündigungsschutzes für Kleinstbetriebe von fünf bis neun Beschäftigten– ging Rot-Grün dazu über, den Sozialabbau weit schärfer fortzusetzen als die Kohl-Regierung und dabei an Tabus zu rühren, die bisher als unantastbar galten, insbesondere die paritätische Umlagefinanzierung in der Sozialversicherung (angefangen bei der Einführung der Kapitaldeckung in die Rentenversicherung als »Riester-Rente«). Die Auswirkungen waren drastisch: Wenn schon die »eigenen « Leute einem den Boden unter den Füßen wegziehen, dachten viele in der Mitgliedschaft bis zu den Aktiven, wem kann man dann noch vertrauen, wie kann man sich dann noch wehren? Schon die Demonstrationen gegen die Einführung der Riester-Rente waren viel zu schwach, um sie abwehren zu können. Die aktuellen Maßnahmen und Pläne in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheitsreform, Bildung etc. stoßen kaum noch auf aktiven Widerstand. Den verbalen Protesten der Gewerkschaftsspitzen folgen keine Taten, die Mitgliedschaft bleibt mit ihrer Unzufriedenheit auf sich allein gestellt.

An Beschlüssen auf regionaler und örtlicher Ebene etwa gegen die Umsetzung der Hartz-Pläne fehlt es nicht, wenn man z. B. im Internet danach sucht. Das Problem liegt in der mangelnden praktischen Konsequenz. Die Beschlüsse, die in gewerkschaftlichen Delegiertenkonferenzen gefasst werden, drücken weit verbreiteten Ärger aus – wenig verwunderlich angesichts der neuerlichen Belastungen für Beschäftigte und Arbeitslose. Papier aber ist geduldig; die Beschlüsse sind nicht die Folge von wirklichen Diskussionsprozessen, sondern werden nur von wenigen angestoßen und dann nebenbei erledigt. Woran es weiter fehlt, sind konkrete Maßnahmen zur Umsetzung von Beschlüssen, zur Aufklärung von Mitgliedern, zur Entwicklung von Massenprotest. Statt dessen herrscht Lähmung vor, weil nur noch wenige Aktive Druck zu machen versuchen, diese aber häufig – z.B. als Arbeitslose – betrieblich nicht verankert sind; die Masse der Beschäftigten fügt sich ins scheinbar Unvermeidliche und konzentriert sich auf »individuelle Sicherung« des Arbeitsplatzes (Jeder ist sich selbst der Nächste). Bislang sieht sich die Gewerkschaftsführung nicht unter Druck zum Handeln gesetzt, sondern nur zu verbalem Protest veranlasst. Bsirske, Zwickel, Sommer und Schmoldt können es sich noch leisten, in Interviews und Talk-Shows Widerspruch gegen Teilaspekte der Regierungspolitik anzumelden und gleichzeitig die Hände in die Hosentaschen zu vergraben. Das ihnen dies von der bürgerlichen Presse als »Kampfansage« ausgelegt wird, zeigt lediglich, das angesichts der ökonomischen Wachstumsschwäche, der Krise der öffentlichen Haushalte und der zunehmend unbezahlbaren Massenarbeitslosigkeit auch in der herrschenden Klasse die Nerven blank liegen.

Grundsätzlich hat sich in der sozialpartnerschaftlichen Politik der Gewerkschaftsvorstände und in der Haltung der breiten Mitgliedschaft nichts geändert, nur die Spielräume sind aufgrund der seit den frühen neunziger Jahren anhaltenden Unternehmeroffensive kleiner geworden. Gerade unter dem jetzigen Druck stellen sie ihre als politische Alternative im geltenden Rahmen gemeinten Gegenkonzepte nach wie vor unter das angebliche Gemeinwohl. Statt an die eigene Basis appellieren sie an die als gemeinsam unterstellten Interessen, die vernünftigerweise auch Politik und Unternehmen haben müssten. Schon vor der Brandrede Schröders vom 14. März begann ver.di mit der Kampagne »Stark durch Wandel«. In einem Flugblatt heißt es dazu: »Nichts gegen die Tabaksteuer. Aber wenn die Wirtschaft wieder in Schwung kommen und die Sozialsysteme auf sichere Beine gestellt werden sollen, müssen auch die Unternehmen wieder stärker in die Verantwortung genommen werden.« Danach folgen Forderungen zur Wiedereinführung bzw. Verstärkung von Unternehmens- und Vermögenssteuern.

Dieses Denken führt tiefer in die Sackgasse. Die Mittel und Methoden der Tarifpolitik sind stumpf geworden und werden durch betriebliche »Bündnisse«, die Härteklausel der Metallbranche im Osten, ökonomische Erpressung, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit etc. mehr und mehr unterlaufen. Die sozialen Sicherungssysteme werden immer weiter abgebaut, die »heiligen Kühe« gerade durch diejenigen (SPD, in Berlin auch die PDS) geschlachtet, »die an der Aufzucht der Kälber in vorderster Linie beteiligt waren«, wie der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Kopper, bemerkte. Der Reformismus verkehrt sich in der Krise in sein Gegenteil. Bezeichnenderweise werden Abbaumaßnahmen als Reformen verkauft. Diese »Reformen« verbessern aber nicht – wie noch in den siebziger Jahren – die Lebensverhältnisse und die Konsumfähigkeit der Beschäftigten, sondern beinhalten Sozialabbau und Ausgrenzung der sozial Schwachen.

Eine Änderung dieser Politik ist von den Gewerkschaftsvorständen auch unter dem gegenwärtigen Druck nicht zu erwarten. Die Verselbstständigung der gewerkschaftlichen Apparate – und damit ihr materielles Eigeninteresse – hat ungeahnte Ausmaße angenommen, und dies bindet die Führung mehr an Unternehmer und Regierung als an die gewerkschaftliche Basis, die ihre Interessen einfordert, aber selbst noch nicht genügend Kraft entwickelt, sie durchzusetzen. Den Vorständen bleibt nicht anderes, als den Kurs der Anpassung und Unterordnung fortzusetzen. Die Unfähigkeit der Gewerkschaften, ihre bisherigen Schutzfunktionen weiter wahr zu nehmen, verstärkt die Unzufriedenheit, gleichzeitig aber auch die Passivität der Mitglieder und die Austrittsbewegung aus den Organisationen.

In dieses Bild passen Vorstellungen der IG-Metall-Führung in der Woche nach der Schröder-Rede, wie auf die neuerlichen Angriffe zu reagieren sei. Die IG Metall, heißt es, »fordert nun sogar Arbeitnehmer zum Protest gegen die geplanten Schnitte ins soziale Netz auf« (Frankfurter Rundschau, 19.3.2003). Unterschriftenlisten und Abgeordnetenbesuche soll es geben, und wenn das nicht reicht, soll zu Aktionen aufgerufen werden. Dabei beugt die IG-Metall-Führung schon vor, indem sie erklärt, es gebe für Bundesregierung und Unternehmer doch überhaupt keinen Grund zum gesetzlichen Angriff auf die Tarifautonomie, weil die Gewerkschaft in Härtefällen immer kompromissbereit sei und so genannten betrieblichen Bündnissen nichts in den Weg lege. So trägt sie wieder mal zur Demobilisierung bei: Ihre Mitglieder werden kaum mit Begeisterung für eine »Tarifautonomie« kämpfen, die regelmäßig im konkreten Bedarfsfall von der Gewerkschaft selbst auf dem Altar der Sozialpartnerschaft geopfert wird.

Niedergang der SPD in Wahlen

Spätestens seit der letzten Bundestagswahl können die Sozialdemokraten sich ihrer gewerkschaftlichen Pappenheimer sicher sein. Schon im Vorfeld dieser Wahl war mit dem Job-AQTIV-Gesetz und der Hartz-Kommission klar, das die SPD-geführte Bundesregierung den Druck gegen die Arbeitslosen, auf die Löhne und auf die betrieblichen Arbeitsbedingungen weiter verschärfen würde. Die Unterstützung der Gewerkschaftsführung bekam sie dennoch. Lange hatte es vorher so ausgesehen, das der von Schröder 1998 selbst gesetzte Maßstab »wenn diese Regierung es nicht schafft, die Zahl der Arbeitslosen deutlich zu drücken, hat sie es nicht verdient,

wieder gewählt zu werden« der SPD zum Verhängnis würde. Nur mit Hilfe für sie günstiger Umstände (Stoiber-Effekt, Irak-Politik, Flutkatastrophe, Schwäche der PDS) konnte die rot-grüne Koalition noch einmal eine Wahl auf Bundesebene gewinnen. Unmittelbar darauf gingen die Zahlen bei Meinungsumfragen in den Keller und folgten deftige Niederlagen bei durchaus wichtigen Teilwahlen.

Die Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen sowie die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein haben den Trend bestätigt: In Hessen verlor sie unter Arbeiterwählern 16 Prozent, in Hannover, wo sie anders als in Wiesbaden zudem Regierungspartei war, sogar 24 Prozent. Seit 1998 in Berlin Rot-Grün die Regierung übernahm, verloren fünf sozialdemokratische Ministerpräsidenten ihren Posten. Eine Änderung dieser Abwärtsentwicklung ist nicht in Sicht. Zur Zeit würde bestenfalls ein Viertel der BundesbürgerInnen Schröder wieder wählen.

Innerparteiliche Auseinandersetzungen um einen Kurswechsel, der die Wahlchancen bei Stammwählern verbessern könnte, nehmen zu. Ganze Bezirke der Partei erklären, die einzige Chance bestehe in einer Linkswende, in einem Zurück zu den Wurzeln; die ehemalige Galionsfigur Lafontaine versucht, diese Stimmung für sich auszunutzen. Auch die Parteiführung reagiert darauf, aber sie hat keine Alternative: Selbst ein Umsteuern bietet keine Garantie dafür, das enttäuschte SPD-Wähler kurzfristig wieder zurückkehren. Sie argumentiert weiter damit, dass sich nur durch ein Umkrempeln der Sozialsysteme die Situation verbessern ließe, so das die Partei langfristig an der Wahlurne wieder punkten könne.

Einer anderen Strömung in der SPD gehen die Maßnahmen Schröders nicht weit genug. Sie verlangen, sich »von den Steinzeitdoktrinen der ÖTV-Sozialstaatler glasklar« abzusetzen, da dies nicht mehr zu finanzieren sei. In ihren Kreisen hat das Schlagwort »aktivierender Sozialstaat« eine breite Anhängerschaft. Siegmar Gabriel beispielsweise, der Nachfolger Schröders in Niedersachsen, nennt die Agenda 2010 »Reförmchen« und fordert weitergehende Einschnitte. Sie laufen darauf hinaus, die Menschen durch Entzug der öffentlich gewährten Mittel zum Lebensunterhalt (z.B. drastische Kürzung der Arbeitslosenunterstützung) zu zwingen, »ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen«, unabhängig davon, ob sie nach ihren sozialen Bedingungen überhaupt dazu in der Lage sind. Diese »modernisierte« Sorte Sozialdemokraten

sieht ihre Klientel vor allem in lohnarbeitenden Mittelschichten, denen der Sozialstaat zu teuer ist. Sie soll entlastet und beruhigt werden, indem niemandem erlaubt wird, sich auf ihre Kosten in die »soziale Hängematte« zu legen. Dem kommt die Forderung nach Aufhebung des Kündigungsschutzes entgegen: Wenn die Kriterien der Sozialauswahl nicht mehr gelten, haben die Leistungsstärkeren bessere Chancen. Oder die Umstellung von Teilen der Sozialversicherung auf Kapitaldeckung: Dies schadet zwar den Versicherten, weil dies Verfahren insgesamt teurer ist, entlastet aber die öffentlichen Haushalte. Außerdem heißt es, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, wenn man sich das Geld bei den Schwächsten der Gesellschaft holt anstatt bei den Unternehmen und den Reichen, die gut organisiert sind und über Macht verfügen.

Schröders Brandrede

Ausdruck solcher Überlegungen war Schröders Regierungserklärung vom 14. März. Als Messlatte werden Haushaltskonsolidierung und EU-Stabilitätspakt angeführt, zu deren Sicherung nun alle gesellschaftlichen Gruppen beitragen sollen. Tatsächlich geht es um »einen reaktionären Systemwechsel gegen die abhängig Beschäftigten und die Erwerbslosen«, um auch »die (teils selbstverschuldete) Defensivposition der Gewerkschaften zu nutzen«, wie der westfälische ver.di-Bezirk Herne in einer ersten Auswertung feststellt. »Wesentliche Sozialstaatssäulen, wie u.a. das Arbeits- und Sozialrecht, die Tarifautonomie, der Flächentarifvertrag, Arbeits- und Gesundheitsschutzrechte, die Betriebsverfassung und die Aufsichtsratsmitbestimmung werden offen angegriffen und in Frage gestellt«, heißt es dort weiter. Die wichtigsten Androhungen der so genannten »Agenda 2010«, die Schröder in einer langen Rede vorstellte, sind folgende: