aus Arpo Nummer 1, 2010

Krise in den Häfen Bremens und Bremerhavens
Hafenarbeiter müssen die Opfer bringen –
aber einige wehren sich

Schifffahrt und Häfen, die von der Globalisierung besonders profitiert hatten, sind jetzt vom enormen Rückgang des Welthandels betroffen. Im Jahre 2009 ist der Güterumschlag in den Häfen Bremens und Bremerhavens um 17 Prozent gesunken, der Containerverkehr Bremerhavens um 20 Prozent, der Automobilumschlag um 40 Prozent. Das ist der stärkste Rückgang in der Nachkriegsgeschichte. In Hamburg und Antwerpen ist der Containerverkehr 2009 um 20 Prozent gesunken, in den ersten neun Monaten des Jahres ist der Umschlag in Hongkong und Singapur jeweils um 18 Prozent gesunken.

Angesichts der weiter wachsenden Kapazitäten auf den Kajen tobt ein gnadenloser Konkurrenzkampf zwischen den Häfen. Rotterdam senkt »unterm Strich« das Hafengeld um fünf Prozent. Mehrere Großreedereien haben bereits damit angefangen, ihre Dienste zumindest teilweise aus den Häfen der Deutschen Bucht an belgische oder holländische Häfen zu verlegen. Die günstigeren Umschlagsentgelte wie überhaupt die schiffsgebundenen Hafenanlaufkosten laden dazu ein. Hamburg hat deshalb seine Hafengebühren umstrukturiert, und Bremerhaven verzichtet auf eine vorgesehene Anhebung.

Die Hafenbetriebe stehen nicht nur unter dem Druck der Reeder als Großkunden. Mit dem Ziel höherer Profite drücken auch die großen Automobilkonzerne wie Daimler und BMW für sie günstigere Verträge durch. Und die Hafenbetriebe geben die Belastung an die Beschäftigten weiter.

Anfang 2010 reagiert nun auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) (gehört zu 68 Prozent der Stadt Hamburg) auf die Auswirkungen der Krise. Der Umschlag soll am Burchardkai konzentriert werden. Die Beschäftigten der HHLA wurden in Betriebsversammlungen darüber informiert, dass zunächst einmal bei ihren Zuschläge gestrichen wird. ver.di will über Kostensenkung eine Beschäftigungssicherung erreichen.

In Bremen und Bremerhaven ist diese Entwicklung schon weiter vorangeschritten. Mit den sozialen Folgen der Krise in den Häfen Bremens und Bremerhavens, der Rolle der Gewerkschaften, den Reaktionen unter den Beschäftigten und den politischen Auswirkungen auf die Parteien befassen sich nachstehende Beiträge.


Gesamthafenbetrieb Bremen in der Krise *)
Selbstorganisierung – weil die Interessenvertreter versagen

*) Eine erste Fassung dieses Artikels wurde schon im Dezember 2009 auf verschiedenen Internet-Seiten angeboten.

Die Weltwirtschaftskrise hat den Gesamthafenbetriebsverein (GHB) der Häfen in Bremen und Bremerhaven als ersten Hafenbetrieb hart getroffen.

Wer sind die Betroffenen? Es gibt noch die alten Hafenarbeiter, die nach ihrer Stammlohngruppe im Hafentarif bezahlt werden, aber auch hier finden wir schlechter gestellte befristete Teilzeitverträge. Sogar der niedrig bezahlte Distributionstarif ist differenziert. Und Tagelöhner sind dabei, die«Roten Karten«, die keinen Arbeitsvertrag haben und keine Leistung aus der Garantielohnkasse erhalten. Die Grenzen des Hafentarifs waren mit Billigung von ver.di immer enger auf die Kaikante eingegrenzt worden.

Anfang 2008 hatte der GHB noch 2800 Beschäftigte. Es war das Jahr mit dem größten Hafenumschlag der letzten 15 Jahren. Aber schon im Oktober begann die Krise. Auf Grund des Frachtrückgangs wurde ab Dezember 2008 im GHB wie in den anderen Hafenbetrieben zunächst versucht, den Arbeitsrückgang mit dem traditionellen Instrumentarium (Abbau von Mehrarbeit, Auflösung von Arbeitszeitkonten, vorzeitiger Urlaub usw.) so weit wie möglich nach hinten zu schieben; dann wurde Kurzarbeit eingeführt. Doch die Flaute im Hafen dauerte an und die Garantielohnkasse des GHB – in die Hafenbetriebe schon zusätzlich eingezahlt hatten – reicht nur für sechs Monate, ist nicht groß genug für eine Wirtschaftskrise.

Die Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG), die eine der größten Logistikunternehmens Europas im Eigentum des Landes Bremens ist, und Eurogate, eine Tochter der BLG, waren bislang diejenigen, die vom GHB-System am meisten profitierten. Das Container-Terminal und Logistik-Unternehmen Eurogate verzichtet ab Anfang 2010 auf die Dienste des GHB.

Sanierung des GHB: der Sozialplan

Anfang 2009 mussten als erstes reine Aushilfskräfte gehen, dabei viele alleinerziehende Mütter. Im weiteren Verlauf des Frühjahrs ließ der GHB 800 befristete Arbeitsverträge wegen fehlender Arbeit auslaufen. Geleitet von der kapitalistischen Logik stimmten Ver.di und Betriebsrat dem GHB-Geschäftsführer zu, dass »zu viele Leute an Bord« waren. Der IG-Metall-Betriebsrat von Autotec (BLG-Tochter, die Importautos für den Markt vorbereitet) und die für den Betrieb zuständige IG Metall erklärten sich solidarisch mit den befristet beschäftigten Bremerhavener GHB-Kollegen und unterstützen ihre Demonstration im April.

Als deutlich wurde, dass die Auswirkungen der Krise mit den bisherigen Mitteln nicht zu bewältigen waren, trat beim GHB der »Ausschuss für Personal und Arbeit« zusammen. Er ist paritätisch besetzt mit Vertretern von ver.di und der Hafen-Unternehmen. Karsten Behrenwald, DGB-Vorsitzender in Bremerhaven, sah die Hafenwirtschaft gefordert. Doch besonders die global agierende Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) hatte anderes im Sinn: Sie zielte schon zu dem Zeitpunkt darauf, auch ihre eigene Belegschaft zur Kasse zu bitten, um Konkurrenten in den Preisen unterbieten zu können.

Die am GHB-Verein beteiligten Unternehmen waren also nicht bereit, die Garantielohnkasse so aufzufüllen, dass Entlassungen vermieden werden konnten. Der Ausschuss stellte fest, dass spätestens im August/September 2009 wegen Arbeitsmangel die Garantielohnkasse leer sein würde und der GHB-Verein Insolvenz hätte anmelden müssen. Der Ausschuss beauftragte Geschäftsleitung und Betriebsrat des GHB, in Sozialplanverhandlungen einzutreten.

Ende Juni 2009 stand der Sozialplan. 103 Beschäftigte wurden Ende Juli entlassen, 217 Kollegen bekamen Änderungskündigungen: Für die betroffenen Bremerhavener Kollegen bedeutete das einen täglichen Fahrweg von 120 km zu einem Arbeitsplatz in Bremen und eine Lohnkürzung von bis zu 65 Prozent (8 Euro statt bisher 15 Euro). Da kaum einer dieses »Angebot« akzeptiert hat, stehen die meisten dieser 200 auf der Straße.

Insgesamt verloren damit einschließlich der obengenannten 800 mehr als 1000 Hafenarbeiter ihren Arbeitsplatz. Dazu sparten die beteiligten Firmen, also besonders die BLG, bei den mickrigen Abfindungen von 2000 Euro. Nach den neuen Beschäftigungsbedingungen werden im Distributionsbereich (z.B. Hochregallager) die Löhne von 15 auf gut 8 Euro gesenkt, weitere tarifliche Leistungen werden eingeschränkt und der Arbeitgeber kann die Schichtzeiten bei Bedarf auf vier Stunden verkürzen.

Die neuen Löhne sind so niedrig, dass die Betroffenen selbst mit einer vollen Stelle künftig als »Aufstocker« Leistungen der ARGE (Bremische Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales, die Hartz-IV-Antrags- und Vergabestelle) beantragen müssen. Für Harald Bethge, Leiter des Bremer ver.di-Fachbereichs Verkehr ist das zwar schwer hinnehmbar und damit kritikwürdig; aber es entspreche der »geltenden Rechtssprechung«. Der GHB sei immerhin gerettet worden. Rund 200 GHB-Arbeiter haben inzwischen beim Arbeitsgericht Klagen gegen die Kündigungen und die Änderungsverträge eingereicht.

ver.di handelt

Beim GHB-Verein sind zwar fast alle Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, denn das geschah rein geschäftsmäßig bei ihrer Einstellung. Daraus erfolgte jedoch nicht automatisch eine lebendige Gewerkschaftsarbeit. Formal existierte ein Vertrauenskörper, eher am Rande, nicht in einem ständigen Meinungsaustausch mit den Kollegen. So war es für die Geschäftsführung auch leicht, befristet Beschäftigten Überstundenzuschläge zu verweigern.

ver.di-Sekretär Harald Bethge sah es als seine Hauptaufgabe an, den GHB-Verein, den ver.di mitträgt, zu retten. So verhandelten Betriebsrat und ver.di-Funktionäre ohne die betroffenen Arbeiter zu informieren, geschweige denn, sich mit ihnen rückzukoppeln.

Wie sich ver.di der Lage der Hafenarbeiter stellte, war der TAZ zu entnehmen: Angesichts der schlechten Stimmung sorgt sich Harald Bethge, Landesfachbereichsleiter Verkehr bei ver.di, um das Image des GHB. Der Krankenstand sei hoch, einige verweigerten sich. »Was dort passiert, verschlägt uns den Atem«, sagt er. Es sei wichtig, Mitarbeiter schnell und mit verkürzter Kündigungsfrist zu entlassen, um das Unternehmen handlungsfähig zu halten. Auch die geringe Abfindung hält er für gerechtfertigt: sie orientiere sich an der »Garantielohnkasse« des GHB. Die könne man nicht komplett für Abfindungen leeren. Schließlich müsse weiter Lohn gezahlt werden, wenn Unternehmen wegen Auftragsflauten keine GHB-Leute anfordern. »Es war einfach nicht mehr Geld da«, sagt Bethge. (TAZ Nord, 26.7.09)

Laut Bethge habe man unter der Führung von Uwe Beckmeyer (Landesvorsitzender der Bremer SPD und Bundestagsabgeordneter) einen »runden Tisch« mit den Arbeitgebern aus der Hafenwirtschaft, ver.di, den Betriebsräten, Vertretern der Bundesagentur für Arbeit und des Senats gebildet. Bremer Lagerhaus, North Sea Terminal, Eurogate, Maersk-Terminal hätten sich bereit erklärt, auf jegliche Mehrarbeit zu verzichten und vermehrt in Kurzarbeit zu gehen, um so Arbeit für den GHB zu schaffen. ver.di war »im Rahmen der Möglichkeiten« bereit, tarifliche Maßnahmen durchzuführen (Kündigung des Beschäftigungssicherungsvertrages), um damit von dieser Seite eine Entlastung möglich zu machen. Schließlich sagte der Gesamtbetriebsrat des GHB zu, alle erdenklichen Möglichkeiten, die betrieblich zu regeln wären, ebenfalls in Angriff zu nehmen.

Die sozialpartnerschaftliche Politik der Gewerkschaft wendet sich gegen die Lohnabhängigen. Als Mitträger des GHB-Vereins ist ver.di untauglich zur Verteidigung der Interessen der beim GHB beschäftigten Hafenarbeiter.

GHB-Kollegen reagieren

Für die entlassenen und auch die noch beschäftigten Kollegen sind die Ergebnisse katastrophal. GHB-Kollegen nahmen das Verhandlungsergebnis so wahr: »Wir sind im Gesamthafenbetriebsverein von dem Sanierungsplan, dem Sozialplan und der Sozialauswahl völlig überrascht worden. Als einzige Information hat es einen unauffälligen Aushang in einem Glaskasten am Betriebsgebäude gegeben, was wir mehr oder weniger durch Zufall mitgekriegt haben. Der Betriebsrat hat auf Anfrage keine Kopie mit den Unterlagen rausgegeben. Die Auswahl der von Entlassung und Änderungskündigung Betroffenen halten wir für völlig ungerecht und ungerechtfertigt. Als so langsam klar wurde, was da auf uns zukommt, haben wir ein Flugblatt gemacht, Rechtsanwälte angesprochen, und wir haben am 11. Juli zu einer Gründungsversammlung ... eingeladen. Dort ist das Komitee dann gewählt worden. Geholfen und unterstützt haben uns dabei die Bremerhavener Arbeitsloseninitiative und die LINKE in Bremerhaven.« (Kollegen aus dem Komitee)

Den Kollegen hat’s auch den Atem verschlagen: Der Sekretär ihrer Gewerkschaft sieht es als wichtig an, sie schnell und mit verkürzter Kündigungsfrist zu entlassen.

Nicht nur sie fragen: Wessen Interessen vertritt dieser Gewerkschaftssekretär?

Bei den Kollegen kochte Wut hoch, die sich Bahn brach in der Organisierung um die eigenen Interessen. Initiiert wurde eine Unterschriftensammlung für den Rücktritt des Betriebsrats; mehr als ein Viertel der Belegschaft unterschrieb. Indem sich Betriebsrat und Gewerkschaft an der Auswahl der Kollegen beteiligten bzw. diese so akzeptierten, beteiligten sie sich an der Spaltung der Belegschaft. Aufgrund der Klagen berät nun das Gericht über die Kriterien der Auswahl.

Enttäuscht über das Verhalten ihrer Gewerkschaft und ihres Betriebsrates, die als Co-Manager handelten, gingen die nun im Komitee »Wir sind der GHB« organisierten Kollegen mit ihrem Protest an die Öffentlichkeit – vor allem gegen die Auswahl und die Aufstellung der Namenslisten für die Kündigungen. Sie riefen zur Demonstration unter dem Motto »Dumpinglöhne beim GHB – wir sind erst der Anfang« auf, ohne Unterstützung der ver.di-Hauptamtlichen, aber mit Hilfe der Bremerhavener Arbeitsloseninitiative, der örtlichen Linkspartei und von IGM-Kollegen der BLG-Tochter Autotec. Die bezahlten Funktionäre von ver.di wandten sich an die örtliche IG Metall, sich da herauszuhalten. Gegen den Betriebsratsvorsitzenden der GHB gehen Kollegen auch juristisch vor.

Gesamthafenbetriebsverein

Hafenbetriebsvereine wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in nahezu allen großen deutschen Seehäfen gegründet. Im Land Bremen geschah dies zuerst 1914 durch 56 Umschlagsunternehmen, Stauereien, Speditionen und Speicherbetrieben. Sie wollten damit die Arbeitsvermittlung selbst in die Hand nehmen.
Der jetzt bestehende Gesamthafenbetriebsverein im Lande Bremen e.V. (GHB), heute der größte Gesamthafenbetrieb Deutschlands, wurde 1950 von Hafenunternehmerverbänden und der Gewerkschaft ÖTV gegründet. Die entscheidenden Gremien sind paritätisch besetzt. Er unterhält einen Pool von Fachkräften, die von Unternehmen bei Bedarf angefordert werden, ist also eine Art Personalpuffer. Die Beschäftigten werden zu Tariflöhnen in den aufnehmenden Hafeneinzelbetrieben entlohnt. Als gemeinnütziger Verein darf der GHB grundsätzlich keine Profite erwirtschaften, wohl aber Rücklagen bilden. Fünfzig Mitgliedsfirmen bestücken eine Garantielohnkasse. Aus ihr zahlt der GHB den Beschäftigten auch bei schlechter Auftragslage ein Grundgehalt. Bis auf zwei Ausnahmen konnten bisher die Konjunkturschwankungen im Hafengeschäft mit dem GHB ausgeglichen werden: 1973 und 1982/83 hat der GHB Bremen schon Entlassungswellen erlebt.
Im Jahre 2009 wurden in Hamburg und Rostock dortige GHB-Beschäftigte bisher nur auf Kurzarbeit gesetzt. Anderthalb Jahre will man das in Hamburg durchhalten. Doch 2010 droht auch im Hamburger Hafen Personalabbau. In Lübeck sind befristete Verträge nicht verlängert worden.

Aktivitäten des Komitees

Drei Demonstration hat das Komitee inzwischen organisiert. Bei der ersten Demonstration Ende Juli wuchs der Zug bis zur Abschlusskundgebung auf rund 200 Personen an. Die Aktion am 29. August 2009 wurde, unterstützt von Kollegen aus anderen Hafenbetrieben, der Bremerhavener Linkspartei, von einigen Hamburger Hafenarbeitern des dortigen Gesamthafenbetriebsvereins und von Gewerkschaftern aus dem Mercedes-Werk Bremen. Getragen wurden gewerkschaftskritische Losungen. Auf ihren T-Shirts war aufgemalt: »ver.di: nix sehen, nix hören, nix sagen«.

www.wirsindderghb.de
Per E-mail zu erreichen ist das Komtee unter:
Komitee-wir-sind-der-ghb@web.de.
Es ist dringend auf Spenden angewiesen:
Sabine Finke / BLZ 295 50 150 / Kto: 193 02 40 39

»Danke ver.di für nix« oder: »Trotz Arbeit Hartz IV« war auf Transparenten zu lesen.

Am 15. September 09 nahmen Vertreter des Komitees an einem Gespräch mit Hamburger ver.di-Vertrauensleuten des dortigen Gesamthafenbetriebsvereins teil.

Am 24. August 09 informierten GHB-Kollegen die gemeinsame Delegiertenversammlung der Bremer und Bremerhavener IG Metall über die Hafenarbeiterprobleme. Die in Wortbeiträgen von Delegierten gezeigte Sympathie für die kämpfenden Kollegen des GHB wurde nicht zu einer solidarische Kraft. Es blieb bei aufmunternden Worten.

Am 10. Oktober 09 fand eine Veranstaltung in Bremen statt, das Komitee wurde mit Bremer Mitgliedern erweitert.

Am 31. Oktober 2009 zog eine Demonstration mit ca. 100 Teilnehmern von Bremen-Walle in die Bremer Innenstadt.

Anfang November sprachen Komitee-Kollegen mit Hafenarbeitern in Rotterdam: Als der dortige Gesamthafenbetrieb in Konkurs ging, wurden einige hundert Hafenarbeiter arbeitslos. Das dortige Komitee umfasst 80 Kollegen. Für den Herbst 2010 wurde mit Kollegen aus Rotterdam ein weiterer internationaler Erfahrungsaustausch für Hafenarbeiter vereinbart, der in Bremerhaven stattfinden soll.

Ende November beteiligten sich Bremer Kollegen des Komitees an einem Protest von ca. 100 Menschen gegen die Arbeitsbedingungen und Entlohnung beim Schlecker XLMarkt. Neben einem Kollegen vom Transformatorenhersteller Mdexx (ehemals Siemens), der auf den Kampf der Belegschaft um die Arbeitsplätze aufmerksam machte, wies ein Sprecher des Komitees auf die unerträgliche Lohnkürzung und Arbeitsbedingungen beim GHB hin.

Grundsätzliches

Indem das Komitee Kontakt aufnimmt zu anderen gewerkschaftlich und politisch aktiven Menschen, entwickelt sich der politische Horizont dieser Kollegen weiter. Aus der rein persönlichen Betroffenheit als Opfer beim Handeln von Betriebsrat und ver.di wird mehr.

Schon in der Nachkriegszeit, als der GHB neu gegründet wurde, mussten die Hafenarbeiter von der ÖTV-Bürokratie laufende Informationen über Verhandlungen mit den Unternehmern energisch einfordern – damals über den angestrebten Garantielohn. Und schon damals war dem sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsvorstand und Hafenbetriebsrat besonders wichtig, dass die Unternehmer Liegekosten einsparten – auch wenn dafür Gewerkschaftsmitglieder nicht zur angesetzten Gewerkschaftsversammlung kommen konnten. Sozialpartnerschaft prägte und prägt das Handeln der Gewerkschaftsvorstände und Betriebsratsspitzen.

Über Jahrzehnte hat sich in den Gewerkschaften eine Stellvertreterpolitik manifestiert: Die bezahlten Gewerkschaftsfunktionäre bestimmen die Politik der Organisation. Und weil sie in diesen Jahren für die Kollegen durch Verhandlungen – manchmal musste mit Streik nachgeholfen werden – etwas herausholen konnten, ließen die Gewerkschaftsmitglieder ihre Funktionäre gewähren.

Gründe für die heutigen Schwierigkeiten, sich in der Krise gemeinsam zu wehren, sind auch in den vielfältigen Spaltungen zu suchen, die schon während Konjunkturzeit angelegt wurden. Langjährige Arbeiter bekamen durch den Aufbau neuer Firmen und Belegschaften Aufstiegschancen: Sie konnten kleine Vorarbeiter und Meister werden oder qualifizierte und anspruchsvollere Arbeit übernehmen. Die monotone und gering bezahlte Drecksarbeit blieb für die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen übrig. Die Gewerkschaft unterschrieb alles und konnte sich dabei auf einen Teil der Kollegen stützen.

Diese Zeit, in der etwas verteilt werden konnte, ist vorbei. Die Wirtschaftskrise stürzt Betriebe in Existenzprobleme, andere nutzen die Krise, um sich durch Rationalisierung und Lohnsenkung für den verschärften Konkurrenzkampf neu aufzustellen. Wenn die Gewerkschaftsfunktionäre jetzt als Stellvertreter handeln und helfen, soziale Standards der Belegschaften abzubauen, wobei viele ins Elend abstürzen, stoßen sie wie beim GHB auf Protest und Widerstand. Kollegen beginnen, eigene Aktivitäten zu organisieren. Verursacht die Erfahrung mit der Haltung der Funktionäre bei einigen Kollegen auch eine gewerkschaftsfeindliche Haltung, Gewerkschaftsaustritte, so fordern andere Gewerkschaftsmitglieder, gehört zu werden, einbezogen zu werden in gewerkschaftliche Entscheidungsprozesse. Das ist der erste Schritt in eine Richtung, die Gewerkschaftsorganisation den Mitgliedern dienstbar zu machen.            Stand vom 10. Februar 2010 ■