aus Arpo Nr. 1, 2002:

DIE AKTUELLEN  SCHWIERIGKEITEN  DER  US-AUSSENPOLITIK
Krieg gegen den Irak?

Die Nahost-Mission von US-Außenminister Powell durch die arabischen Staaten war ebenso wenig erfolgreich wie Wochen zuvor die Reise von Vizepräsident Cheney durch die arabischen Staaten. Der Versuch der US-Regierung, diplomatisch das Terrain für einen eventuellen militärischen Angriff auf den Irak zu bereiten, ist damit erst einmal gescheitert. Die Eskalation der Gewalt durch Israels Premier Scharon hat die Pläne der US-Regierung zunächst durchkreuzt. Im Augenblick wird kein arabisches Land eine größere Militäraktion gegen den Irak unterstützen. Das haben die letzten Wochen deutlich gezeigt. Die Weigerung des ägyptischen Präsidenten Mubarak, sich mit Powell zu treffen, war ein unübersehbares Signal. Solange die USA die israelische Regierung bei ihrem massiven Vorgehen gegen die Palästinenser weitgehend gewähren lassen, kann es weder seitens ihrer arabischen Verbündeten noch gar von Seiten solcher Länder wie Syrien irgendeine Rückendeckung, geschweige denn aktive Unterstützung für die immer wieder angekündigten Aktionen gegen den Irak geben. Ohne eine solche zumindest passive Unterstützung erscheint den USA ein militärisches Vorgehen gegen den Irak derzeit offensichtlich als ein zu großes Risiko. Nichtsdestotrotz sind entscheidende Kräfte der US-Politik weiter bestrebt, einen solchen Krieg vorzubereiten.

Das Dilemma der Weltmacht USA

In dieser Situation zeigt sich das Dilemma, in dem die USA zur Zeit stecken. Auf der einen Seite stellen sie die einzige verbliebene Weltmacht dar, auf der anderen Seite sind sie bei ihrer Politik im wichtigsten Krisengebiet, dem Nahen Osten, auf ein kleines Land wie Israel angewiesen. Scharon kann es sich leisten, dem Druck der US-Regierung zu trotzen, weil er genau weiß, dass es für die USA auf absehbare Zeit keine Alternative zu Israel und damit auch zur israelischen Regierung gibt. Einzig Israel kann die für die USA unersetzliche Rolle eines Regionalpolizisten spielen. Es besitzt nicht nur die dafür erforderliche militärische Stärke, es ist auch das einzige Land, das wirtschaftlich, politisch und kulturell vollständig westlich orientiert ist.

Das unterscheidet Israel von den arabischen Ländern, wo die meisten Regierungen zwar US-Verbündete sind, die Bevölkerungen diese Haltung aber mehrheitlich nicht teilen. Israel ist im Gegensatz zu ihnen kein unsicherer Kantonist. Es ist nicht nur von den USA finanziell abhängig, das sind auch zahlreiche arabische Staaten, es ist ohne die Unterstützung des Westens überhaupt nicht lebensfähig. Andererseits ist diese Abhängigkeit aber keine einseitige, da auch der Westen keine Alternative zu Israel hat. Den Möglichkeiten, Israels Regierung unter Druck zu setzen, sind daher trotz dessen massiver Abhängigkeit deutliche Grenzen gezogen. Das zeigt sich gerade in den letzten Monaten. Scharon kann die Aufforderungen Bushs, seine Truppen aus den Palästinensergebieten zurückzuziehen, praktisch folgenlos ignorieren, so lange er die überwältigende Mehrheit der israelischen Bevölkerung auf seiner Seite weiß, sie das massive militärische Vorgehen gegen die Palästinenser billigt und allenfalls eine noch härtere Gangart fordert.

Eine Wende ist diesbezüglich nicht in Sicht. Die große Mehrzahl der Israelis rückt immer weiter nach rechts. Ein entscheidender Grund dafür ist in der wirtschaftlichen Entwicklung zu suchen. Schon in den 90ern hatte nur eine Minderheit der Bevölkerung, in der Regel die gutausgebildeten Juden europäischer Herkunft, von den Vereinbarungen von Madrid und Oslo ökonomisch profitiert (s. Arbeiterpolitik 4/5 2000). Ihre Zahl ist seit dem weltweiten Einbruch des IT-Sektors deutlich gesunken. Dieser Sektor war es nämlich, der einen großen Teil der gutausgebildeten und gut verdienenden Israelis beschäftigte. Er bildete das wesentliche Wachstumssegment der israelischen Wirtschaft. Das ist zumindest teilweise vorbei. Die Basis der Arbeiterpartei, zu deren traditioneller Klientel die sozial besser gestellten europäischen Juden zählen, wird damit nicht nur schmaler, die Partei wird zusammen mit ihren potentiellen Wählern auch noch weiter nach rechts rücken. Das Lager derjenigen, die eine Verständigung mit den Palästinensern anstreben, verkleinert sich in dem Maße, wie die Zahl der wirtschaftlichen Verlierer in der israelischen Gesellschaft zunimmt. Die gewalttätige Eskalation des Konflikts tut ein Übriges, um die Kluft zwischen den israelischen Juden und den Palästinensern noch weiter zu vertiefen. Die Rechtsentwicklung der israelischen Politik wird sich deshalb erst einmal fortsetzen. Mangels Alternativen muss sie von den USA hingenommen werden, selbst wenn sie deren eigenen strategischen Interessen teil- und/oder zeitweise zuwider läuft.

 Die Irak-Pläne der USA werden verschoben

Für die US-Regierung bedeutet das, dass sie ihre Pläne zum Sturz Saddam Husseins nicht wie ursprünglich vorgesehen verfolgen kann. Der frühere Sicherheitsberater von Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, hat die Folgen des israelischen Vorgehens gegen die Palästinenser in einem Interview mit der »ZEIT« Mitte April dementsprechend als Hemmnis für den beabsichtigten Zeitplan gewertet. Eine grundsätzliche Änderung der US-Politik gegenüber dem Irak sieht er allerdings nicht. Auf die Frage, ob die Eskalation auf der Westbank zu einem Kurswechsel der Bush-Administration führen wird, antwortete er: »Nein, sie kommt nicht vom Kurs ab, aber die Umsetzung von Bushs Plan wird sich verzögern.« 

Mit dieser Einschätzung spricht er im Kern das aus, was auch von Seiten der US-Regierung in den letzten Wochen zu hören war. So gab Condolezza Rice, Sicherheitsberaterin von Bush, in einem fast zeitgleich erschienenen Interview mit der Süddeutschen Zeitung quasi offiziell bekannt, dass es noch keine konkreten militärischen Pläne zum Sturz Saddam Husseins gebe: »Ich muss noch einmal sehr deutlich machen, dass der Präsident noch keine Entscheidung getroffen hat über den Einsatz von militärischen Mitteln. Nicht im Ansatz. Er hat keine Pläne dazu auf seinem Schreibtisch. Er hat sich nicht entschieden, dass dies der Weg ist.«

Diese vorsichtigen Äußerungen von Rice entsprechen der realen Politik der USA weit mehr als die häufig martialischen Aussagen vom Krieg gegen die »Achse des Bösen«. Es ist zwar die Absicht von Bush Junior, die Politik seines Vaters zu vollenden, d.h. Saddam Hussein zu stürzen und an seiner Stelle eine US-freundliche Regierung zu installieren. Es sitzt schließlich wie ein Stachel im Fleisch, dass Saddam Hussein auch über ein Jahrzehnt nach dem Golfkrieg immer noch im Amt ist. Das ist, allerdings im umgekehrten Sinne, ebenso ein Signal wie der Sieg über die Taliban. Da gibt es jemanden, der sich den USA erfolgreich zu widersetzen wagt. Der Irak bleibt zwar nicht ungestraft, wie die Folgen des Embargos täglich zeigen, sein Präsident konnte bisher aber noch nicht gestürzt werden.

Wie dieser Plan aber in die Realität umgesetzt werden soll und inwieweit er es letztlich tatsächlich auch wird, das ist noch unklar. Praktisch zeichnet sich die US-Politik unter Bush eher durch "Trial und Error" aus. Man verfolgt ein Ziel, geht dabei aber eher tastend Schritt für Schritt vor. Sich bietende Gelegenheiten werden sofort genutzt, größere Risiken aber nach Möglichkeit gemieden. Das hat zwei Gründe. Einmal hat sich gerade im letzten Jahr gezeigt, dass durch unvorhergesehene Entwicklungen manchmal Dinge möglich werden, die man zuvor als undenkbar bezeichnet hätte. Das Festsetzen der USA in Zentralasien ist dafür ein besonders deutliches Beispiel. Zum anderen wäre ein brachialeres Vorgehen der USA derzeit einfach mit zu vielen außenpolitischen Risiken behaftet. Außerdem ist die Frage, ob der Vietnam-Schock in der US-Bevölkerung wirklich überwunden ist, sie also auch größere Opfer unter ihren Soldaten hinzunehmen bereit ist, immer noch nicht beantwortet.

 Die neue Rolle der USA in Zentralasien

Die angesprochenen außenpolitischen Risiken bestehen dabei nicht nur im Verhältnis zu den arabischen Staaten, sondern auch in Hinblick auf die Lage in Zentralasien. Die USA haben ihre strategische Position dort in einem Ausmaß verbessert, wie es vor einem Jahr wohl noch niemand für möglich gehalten hätte. Das soll durch eine Destabilisierung der gesamten Region, die ein schlecht vorbereiteter Angriff auf den Irak mit sich bringen könnte, nicht gefährdet werden.

Vor allem der Iran als einer der drei Staaten in der "Achse des Bösen" und zugleich Bindeglied zwischen dem Nahen Osten und Zentralasien spielt hier eine entscheidende Rolle. Die erzielten Fortschritte in Zentralasien sind für die USA einfach zu wichtig, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Der Angriff auf die Taliban in Afghanistan im letzten Jahr war seitens der USA zwar im wesentlichen dadurch motiviert, dass sie ihre Glaubwürdigkeit als Supermacht nicht verlieren durften. Sie mussten die Taliban besiegen, wollten sie international nicht als Papiertiger dastehen. Ein Angriff auf die USA selbst wie das Attentat vom 11. September musste mit einer völligen Niederlage des Angreifers und seiner unmittelbaren Unterstützer enden. Nur so konnte die entscheidende Botschaft an den »Rest der Welt«, dass niemand sich den USA ungestraft widersetzt, glaubwürdig vermittelt werden. Obwohl dieses Ziel nicht ganz erreicht worden ist, weil sich Osama bin Laden nach wie vor auf freiem Fuß befindet, hat der schnelle Sturz der Taliban-Regierung in Kabul doch allen potentiellen Gegnern klar gemacht, welches Risiko sie eingehen, wenn sie sich gegen die USA stellen. Bei der Verfolgung dieses Ziels bot sich den USA die Chance, endlich in Zentralasien, dem Hinterhof Russlands und Chinas, Fuß zu fassen. Sie wurde umgehend ergriffen. Im Rahmen des Bündnisses gegen den Terror wurden Stützpunkte in den früheren Sowjet- bzw. GUS-Republiken Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan aufgebaut. Die stärkste Präsenz unterhalten die US-Streitkräfte derzeit in Kirgistan. Dessen Präsident Akajew hat ihnen in Manas nicht nur einen Flughafen, sondern gleich eine ganze Garnisonsstadt für insgesamt 3.000 Soldaten angeboten. Der Vertrag wurde zwar zunächst für nur ein Jahr abgeschlossen, eine Verlängerung ist aber vorgesehen. Mit Usbekistan haben die USA ein Militärabkommen besiegelt, das für jährliche Zahlungen in Höhe von 100 Mio. $ die großflächige Nutzung des Flughafens Chanabad gestattet. Noch größer als in Usbekistan und Kirgistan ist der Erfolg für die USA aber in Tadschikistan. Dort erreichten sie einen Stationierungsvertrag für den Hauptstadt-Flughafen, obwohl in Tadschikistan als einzigem ehemaligen GUS-Staat in Zentralasien dauerhaft russische Truppen stehen. Geostrategisch ist all das für die USA von unschätzbarem Vorteil. Die zwei in militärischer Hinsicht stärksten Konkurrenten können die USA von hier aus direkt beobachten und z.T. auch kontrollieren. Das ist das entscheidende Motiv für die Stationierung US-amerikanischer Truppen in Zentralasien, nicht die immer wieder als Hauptargument angeführten Energiereserven und Bodenschätze.

Anders als im Nahen Osten spielt das Öl in diesem Fall nur eine zweitrangige Rolle. Russland und China sehen sich damit jetzt einer Situation gegenüber, die sie unbedingt vermeiden wollten. Die USA unterhalten Militärstützpunkte in Zentralasien, also direkt zwischen ihren beiden Ländern. Dass Russland und China nicht in der Lage bzw. nicht gewillt waren, das zu verhindern, zeigt deutlich die herrschenden Kräfteverhältnisse. Beide Länder fühlen sich zur Zeit nicht stark genug, einer solchen Bedrohung selbst in ihrer unmittelbaren Interessensphäre massiv entgegenzutreten. Sie geben geostrategische Positionen preis, um zunächst ihre Wirtschaft als wesentliche Basis für langfristiges weltpolitisches Handeln weiter voranzubringen (wie China, das für sein Stillhalten den langersehnten Zutritt zur Welthandelsorganisation aushandelte) oder sie zumindest zu konsolidieren (wie Russland).

 Macht und Ohnmacht des Weltpolizisten USA

Die USA knüpfen nicht nur in ihrer Politik gegenüber Russland und China wieder dort an, wo sie vor dem Anschlag auf das World Trade Center aufgehört hatten, sie tun das auch gegenüber der EU. Die Hoffnungen der westeuropäischen Regierungen, die US-Außenpolitik werde sich angesichts der Bedrohung durch Terroristen wieder multilateral orientieren, d.h. ihr Vorgehen im Rahmen der NATO und der UN absprechen und mit anderen wichtigen Ländern kooperieren, haben sich als Illusion erwiesen. Anfängliche Zugeständnisse der US-Regierung sind nach dem schnellen militärischen Erfolg gegen die Taliban zurückgenommen worden. Die USA agieren wie schon zuvor weitgehend auf eigene Faust. Rücksprachen mit oder Rücksichtnahmen auf andere Länder, seien es die Verbündeten in der NATO oder der arabischen Welt, seien es Russland oder China, erscheinen den USA nun nur noch selten angebracht. Man fühlt sich nicht nur stark genug, die Position als einzige Weltmacht wahrzunehmen, man will den günstigen Augenblick auch nutzen, um sie dauerhaft zu sichern. Die Voraussetzungen dafür sind gut, wesentlich besser als vor dem letzten Golfkrieg unter Bush Senior. Damals hatten die USA gerade ein wirtschaftlich schwieriges Jahrzehnt hinter sich und gegenüber der Konkurrenz aus Westeuropa und Japan stark an Boden verloren. Vor allem die beiden Hauptkonkurrenten Deutschland und Japan hatten in den 80er Jahren deutlich aufgeholt. In der öffentlichen und auch der wissenschaftlichen Diskussion in den USA galten diese beiden Länder damals zunehmend als Vorbilder. Heute stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Die USA haben ein Jahrzehnt enormen wirtschaftlichen Wachstums hinter sich, Westeuropa hinkt deutlich hinterher und Japan steckt seit über 10 Jahren in einer Dauerkrise. Das Bruttosozialprodukt Deutschlands und Japans ist zwischen 1990 und 2000 nicht einmal halb so schnell gewachsen wie das der USA. Dementsprechend werden die USA in den Medien heutzutage fast auf allen Gebieten (von der Wirtschaft über die Wissenschaft bis hin zur Bildung) als Vorbild bewundert und gefeiert.

Diese Umkehrung der Verhältnisse ist ein entscheidender Unterschied zu 1991. Der zweite, nicht minder wichtige ist die endgültige Auflösung der Sowjetunion. Mussten die USA beim ersten Golfkrieg die Sowjetunion noch als zwar stark geschwächten, aber noch immer existenten militärischen und politischen Faktor der Weltpolitik einkalkulieren, so kann diese Rücksichtnahme jetzt entfallen. Es gibt auf der weltpolitischen Bühne keinen auch nur annähernd gleichwertigen Mitspieler mehr. Das lassen die USA ihre Verbündeten ebenso spüren wie ihre aktuellen oder potentiellen Gegner. Selbst Tony Blair, der hoffte, für seine fast bedingungslose Unterstützung ein wenig Mitsprache zu bekommen, musste erfahren, dass die USA ihre Pläne ohne Rücksprache mit ihm konzipieren und verfolgen. Die Dominanz der USA darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch sie ihre Grenzen hat. Die faktische Weigerung der israelischen Regierung, die Nahost-Mission von Powell durch einen Rückzug aus den besetzten Städten des Westjordanlandes zu erleichtern, hat das mehr als deutlich demonstriert. Die USA, das ist ein entscheidender Schwachpunkt, sind trotz all ihrer militärischen Überlegenheit nicht in der Lage, überall dort direkt und vor allem erfolgreich einzugreifen, wo sie es für erforderlich halten. Das gilt nicht nur für Israel und Palästina, sondern derzeit auch für den Irak.

Die Pläne der Bush-Regierung, Saddam Hussein zu stürzen, kranken gleich an mehreren Schwächen. Entscheidend sind zwei. Zum einen können die USA nicht auf eine militärisch wirklich handlungsfähige Opposition im Lande selbst zurückgreifen. Das ist ein großes Handicap. Im Falle eines Angriffs müssten sie den Bodenkrieg weitgehend mit eigenen Truppen bestreiten. Sie könnten diese gefährliche Arbeit nicht wie in Afghanistan der internen Opposition überlassen und sich in erster Linie auf die relativ ungefährliche Unterstützung aus der Luft beschränken. Da niemand genau weiß, wie die US-Bevölkerung reagieren wird, sollte es eine größere Zahl eigener Opfer geben, zögert Bush. Zum anderen sind die USA trotz ihrer Flugzeugträger für einen Bodenkrieg auf Stützpunkte auf der arabischen Halbinsel angewiesen. Sie dürfen die arabischen Staaten also nicht völlig verprellen. Die israelische Politik macht es ihnen augenblicklich aber unmöglich, den verbündeten arabischen Regierungen zumindest soweit entgegen zu kommen, dass diese ihr Gesicht wahren können. Die Massendemonstrationen in Kairo oder Amman bedrohen die Regierungen Ägyptens und Jordaniens zwar nicht wirklich, sie zeigen aber die instabile innenpolitische Lage in diesen Ländern. Ein Angriff auf den Irak vom Boden Saudi-Arabiens aus könnte die Situation derart destabilisieren, dass größere Unruhen und auch Anschläge auf die dort stationierten US-Truppen nicht mehr auszuschließen sind. Dem entgegen zu wirken, war der Sinn der Missionen von Cheney und Powell, die aber letztlich gescheitert sind. Dasselbe trifft auch auf die Reise des saudischen Prinzen nach Washington zu. Die Lage bleibt dementsprechend instabil.

Die unumstrittene Weltmachtposition der USA weist noch einen zweiten grundlegenden Schwachpunkt auf. Die USA sind für eine dauerhafte Sicherung ihrer derzeitigen militärischen Überlegenheit darauf angewiesen, dass die anderen entwickelten Industriestaaten ihr chronisches Außenhandelsdefizit durch den Kauf von US-Anleihen und -Schatzbriefen finanzieren. Die gigantischen Aufrüstungsprogramme der USA können nur dann dauerhaft fortgesetzt werden, wenn der Dollar die unumstrittene Weltreservewährung Nummer eins bleibt. Nur dann nämlich können die Rüstungskosten durch einen drastischen Sturz des Dollarkurses zu erheblichen Teilen auch den ausländischen Gläubigern aufgeladen werden. Das war schon zum Ende des Vietnamkrieges so, als die feste Parität des Dollar zu den anderen Währungen aufgegeben wurde und der Dollar von vier DM auf 3,20 DM sank. Unter Ronald Reagan hat sich das Ganze dann wiederholt. Der Dollar stieg zunächst auf über drei DM, weil die USA sich für die Durchführung ihrer Rüstungspläne auf den Kapitalmärkten enorm verschulden mussten, um anschließend auf unter 1,40 DM abzustürzen. Wer als Ausländer damals US-Anleihen oder -Schatzbriefe beim höchsten Dollarkurs gekauft hatte, bekam nicht einmal mehr die Hälfte seines investierten Geldes zurück, wenn er sie zum niedrigsten Kurs verkaufen musste oder sie genau dann ausliefen.

In beiden Fällen fand eine indirekte Finanzierung der Rüstungsprogramme durch die anderen Industriestaaten bzw. private ausländische Investoren (vom Großanleger bis zum Kleinsparer, der Investmentfondanteile kauft) statt. Die militärische Überlegenheit der USA ist also zu einem nicht unerheblichen Teil fremdfinanziert. Sollte der Euro die Position des Dollar als Weltreservewährung ernsthaft in Frage stellen, wäre dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt. Auf lange Sicht stellt das eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die US-Politik dar. Deshalb versuchen die USA nicht nur, ihre Dominanz auf den Weltfinanzmärkten durch die verschiedensten Maßnahmen (wie z. B. die weltweite Durchsetzung ihrer Bewertungsstandards ) zu sichern, sie nutzen die für sie derzeit außerordentlich günstige Situation auch aus, um mit der Entwicklung neuer Rüstungssysteme, dem Ausbau ihrer militärischen Kapazitäten und der Etablierung von Stützpunkten in allen wichtigen Regionen der Welt Fakten zu schaffen.

Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein stellt ein (nicht unwichtiges) Element in diesem Prozess dar. Dementsprechend werden die USA versuchen, ihn in die Tat umzusetzen.

Ob das tatsächlich gelingt, bleibt angesichts der  geschilderten Schwierigkeiten abzuwarten. Eines kann man auf jeden Fall sagen: Je heftiger die Proteste in der arabischen Welt und in Europa ausfallen, um so größer sind die Probleme für die US-Regierung, um so eher ist damit zu rechnen, dass es zu keinem Krieg gegen den Irak kommt.                                                              8.4.2002