DIE
AKTUELLEN SCHWIERIGKEITEN DER US-AUSSENPOLITIK
Krieg
gegen den Irak?
Die Nahost-Mission von US-Außenminister Powell durch die arabischen Staaten war ebenso wenig erfolgreich wie Wochen zuvor die Reise von Vizepräsident Cheney durch die arabischen Staaten. Der Versuch der US-Regierung, diplomatisch das Terrain für einen eventuellen militärischen Angriff auf den Irak zu bereiten, ist damit erst einmal gescheitert. Die Eskalation der Gewalt durch Israels Premier Scharon hat die Pläne der US-Regierung zunächst durchkreuzt. Im Augenblick wird kein arabisches Land eine größere Militäraktion gegen den Irak unterstützen. Das haben die letzten Wochen deutlich gezeigt. Die Weigerung des ägyptischen Präsidenten Mubarak, sich mit Powell zu treffen, war ein unübersehbares Signal. Solange die USA die israelische Regierung bei ihrem massiven Vorgehen gegen die Palästinenser weitgehend gewähren lassen, kann es weder seitens ihrer arabischen Verbündeten noch gar von Seiten solcher Länder wie Syrien irgendeine Rückendeckung, geschweige denn aktive Unterstützung für die immer wieder angekündigten Aktionen gegen den Irak geben. Ohne eine solche zumindest passive Unterstützung erscheint den USA ein militärisches Vorgehen gegen den Irak derzeit offensichtlich als ein zu großes Risiko. Nichtsdestotrotz sind entscheidende Kräfte der US-Politik weiter bestrebt, einen solchen Krieg vorzubereiten.
Das Dilemma der Weltmacht USA
In
dieser Situation zeigt sich das Dilemma, in dem die USA zur
Zeit stecken. Auf der einen Seite stellen sie die einzige verbliebene
Weltmacht dar, auf der anderen Seite sind sie bei ihrer
Politik im wichtigsten Krisengebiet, dem Nahen Osten, auf ein kleines Land wie
Israel angewiesen. Scharon kann es sich
leisten, dem Druck der US-Regierung zu trotzen, weil er genau
weiß, dass es für die USA auf absehbare Zeit keine Alternative
zu Israel und damit auch zur israelischen Regierung gibt.
Einzig Israel kann die für die USA unersetzliche
Das
unterscheidet Israel von den arabischen Ländern, wo die
meisten Regierungen zwar US-Verbündete sind, die Bevölkerungen
diese Haltung aber mehrheitlich nicht teilen. Israel
ist im Gegensatz zu ihnen kein unsicherer Kantonist. Es
ist nicht nur von den USA finanziell abhängig, das sind auch
zahlreiche arabische Staaten, es ist ohne die Unterstützung des
Westens überhaupt nicht lebensfähig. Andererseits ist
diese Abhängigkeit aber keine einseitige, da auch der Westen
keine Alternative zu Israel hat. Den Möglichkeiten, Israels
Regierung unter Druck zu setzen, sind daher trotz dessen massiver
Abhängigkeit deutliche Grenzen gezogen. Das zeigt
sich gerade in den letzten Monaten. Scharon kann die Aufforderungen
Bushs, seine Truppen aus den Palästinensergebieten zurückzuziehen,
praktisch folgenlos ignorieren, so
lange er die überwältigende Mehrheit der israelischen Bevölkerung
auf seiner Seite weiß, sie das massive militärische Vorgehen
gegen die Palästinenser billigt und allenfalls eine
noch härtere Gangart fordert.
Eine
Wende ist diesbezüglich nicht in Sicht. Die große Mehrzahl
der Israelis rückt immer weiter nach rechts. Ein entscheidender
Grund dafür ist in der wirtschaftlichen Entwicklung zu
suchen. Schon in den 90ern hatte nur eine Minderheit der
Bevölkerung, in der Regel die gutausgebildeten Juden
europäischer Herkunft, von den Vereinbarungen von Madrid
und Oslo ökonomisch profitiert (s. Arbeiterpolitik 4/5
2000). Ihre Zahl ist seit dem weltweiten Einbruch des IT-Sektors deutlich
gesunken. Dieser Sektor war es nämlich, der einen
großen Teil der gutausgebildeten und gut verdienenden Israelis
beschäftigte. Er bildete das wesentliche Wachstumssegment der
israelischen Wirtschaft. Das ist zumindest teilweise
vorbei. Die Basis der Arbeiterpartei, zu deren traditioneller Klientel
die sozial besser gestellten europäischen Juden
zählen, wird damit nicht nur schmaler, die Partei wird zusammen
mit ihren potentiellen Wählern auch noch weiter nach
rechts rücken. Das Lager derjenigen, die eine Verständigung mit
den Palästinensern anstreben, verkleinert sich in dem
Maße, wie die Zahl der wirtschaftlichen Verlierer in der israelischen
Gesellschaft zunimmt. Die gewalttätige Eskalation des
Konflikts tut ein Übriges, um die Kluft zwischen den israelischen
Juden und den Palästinensern noch weiter zu vertiefen.
Die Rechtsentwicklung der israelischen Politik wird
sich deshalb erst einmal fortsetzen. Mangels Alternativen muss
sie von den USA hingenommen werden, selbst wenn
sie deren eigenen strategischen Interessen teil- und/oder
zeitweise zuwider läuft.
Die
Irak-Pläne der USA werden verschoben
Für
die US-Regierung bedeutet das, dass sie ihre Pläne zum
Mit
dieser Einschätzung spricht er im Kern das aus, was auch von
Seiten der US-Regierung in den letzten Wochen zu hören war.
So gab Condolezza Rice, Sicherheitsberaterin von Bush, in
einem fast zeitgleich erschienenen Interview mit der Süddeutschen Zeitung
quasi offiziell bekannt, dass es noch keine konkreten
militärischen Pläne zum Sturz Saddam Husseins gebe:
»Ich muss
noch einmal sehr deutlich machen, dass der Präsident
noch keine Entscheidung getroffen hat über den Einsatz
von militärischen Mitteln. Nicht im Ansatz. Er hat keine
Pläne dazu auf seinem Schreibtisch. Er hat sich nicht entschieden,
dass dies der Weg ist.«
Diese
vorsichtigen Äußerungen von Rice entsprechen der realen
Politik der USA weit mehr als die häufig martialischen Aussagen
vom Krieg gegen die »Achse des Bösen«. Es ist
zwar die Absicht von Bush Junior, die Politik seines Vaters zu
vollenden, d.h. Saddam Hussein zu stürzen und an seiner Stelle
eine US-freundliche Regierung zu installieren. Es sitzt schließlich
wie ein Stachel im Fleisch, dass Saddam Hussein auch
über ein Jahrzehnt nach dem Golfkrieg immer noch im Amt
ist. Das ist, allerdings im umgekehrten Sinne, ebenso ein Signal
wie der Sieg über die Taliban. Da gibt es jemanden, der sich
den USA erfolgreich zu widersetzen wagt. Der Irak bleibt
zwar nicht ungestraft, wie die Folgen des Embargos täglich
zeigen, sein Präsident konnte bisher aber noch nicht gestürzt
werden.
Wie
dieser Plan aber in die Realität umgesetzt werden soll und
inwieweit er es letztlich tatsächlich auch wird, das ist noch
unklar. Praktisch zeichnet sich die US-Politik unter Bush
eher durch "Trial und Error" aus. Man verfolgt ein Ziel, geht
dabei aber eher tastend Schritt für Schritt vor. Sich bietende Gelegenheiten
werden sofort genutzt, größere Risiken aber
nach Möglichkeit gemieden. Das hat zwei Gründe. Einmal hat
sich gerade im letzten Jahr gezeigt, dass durch unvorhergesehene Entwicklungen
manchmal Dinge möglich werden, die
man zuvor als undenkbar bezeichnet hätte. Das Festsetzen der
USA in Zentralasien ist dafür ein besonders deutliches Beispiel.
Zum anderen wäre ein brachialeres Vorgehen der
USA derzeit einfach mit zu vielen außenpolitischen Risiken behaftet.
Außerdem ist die Frage, ob der Vietnam-Schock in
der US-Bevölkerung wirklich überwunden ist, sie also auch
größere Opfer unter ihren Soldaten hinzunehmen bereit ist,
immer noch nicht beantwortet.
Die
neue Rolle der USA in Zentralasien
Die
angesprochenen außenpolitischen Risiken bestehen dabei
nicht nur im Verhältnis zu den arabischen Staaten, sondern auch
in Hinblick auf die Lage in Zentralasien. Die USA haben
ihre strategische Position dort in einem Ausmaß verbessert, wie
es vor einem Jahr wohl noch niemand für möglich gehalten
hätte. Das soll durch eine Destabilisierung der gesamten
Region, die ein schlecht vorbereiteter Angriff auf den
Irak mit sich bringen könnte, nicht gefährdet werden.
Vor
allem der Iran als einer der drei Staaten in der "Achse des Bösen"
und zugleich Bindeglied zwischen dem Nahen Osten und
Zentralasien spielt hier eine entscheidende Rolle. Die erzielten
Fortschritte in Zentralasien sind für die USA einfach zu
wichtig, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Der
Angriff auf die Taliban in Afghanistan im letzten Jahr war
seitens der USA zwar im wesentlichen dadurch motiviert, dass
sie ihre Glaubwürdigkeit als Supermacht nicht verlieren
durften. Sie mussten die Taliban besiegen, wollten sie
international nicht als Papiertiger dastehen. Ein Angriff auf
die USA selbst wie das Attentat vom 11. September musste mit
einer völligen Niederlage des Angreifers und seiner unmittelbaren
Unterstützer enden. Nur so konnte die entscheidende Botschaft
an den »Rest der Welt«, dass niemand sich
den USA ungestraft widersetzt, glaubwürdig vermittelt werden.
Obwohl dieses Ziel nicht ganz erreicht worden ist, weil
sich Osama bin Laden nach wie vor auf freiem Fuß befindet,
hat der schnelle Sturz der Taliban-Regierung in Kabul
doch allen potentiellen Gegnern klar gemacht, welches Risiko
sie eingehen, wenn sie sich gegen die USA stellen. Bei
der Verfolgung dieses Ziels bot sich den USA die Chance,
endlich in Zentralasien, dem Hinterhof Russlands und
Chinas, Fuß zu fassen. Sie wurde umgehend ergriffen. Im
Rahmen des Bündnisses gegen den Terror wurden Stützpunkte in
den früheren Sowjet- bzw. GUS-Republiken Kirgistan, Tadschikistan
und Usbekistan aufgebaut. Die stärkste Präsenz
unterhalten die US-Streitkräfte derzeit in Kirgistan. Dessen
Präsident Akajew hat ihnen in Manas nicht nur einen Flughafen,
sondern gleich eine ganze Garnisonsstadt für insgesamt 3.000
Soldaten angeboten. Der Vertrag wurde zwar zunächst
für nur ein Jahr abgeschlossen, eine Verlängerung ist
aber vorgesehen. Mit Usbekistan haben die USA ein Militärabkommen
besiegelt, das für jährliche Zahlungen in Höhe
von 100 Mio. $ die großflächige Nutzung des Flughafens Chanabad
gestattet. Noch größer als in Usbekistan und
Kirgistan ist der Erfolg für die USA aber in Tadschikistan. Dort
erreichten sie einen Stationierungsvertrag für den
Hauptstadt-Flughafen, obwohl in Tadschikistan als einzigem ehemaligen
GUS-Staat in Zentralasien dauerhaft russische Truppen
stehen. Geostrategisch ist all das für die USA von
unschätzbarem Vorteil. Die zwei in militärischer Hinsicht stärksten
Konkurrenten können die USA von hier aus direkt
beobachten und z.T. auch kontrollieren. Das ist das entscheidende
Motiv für die Stationierung US-amerikanischer Truppen
in Zentralasien, nicht die immer wieder als Hauptargument
angeführten Energiereserven und Bodenschätze.
Anders
als im Nahen Osten spielt das Öl in diesem Fall
nur eine zweitrangige Rolle. Russland
und China sehen sich damit jetzt einer Situation gegenüber,
die sie unbedingt vermeiden wollten. Die USA
unterhalten Militärstützpunkte in Zentralasien, also direkt
zwischen ihren beiden Ländern. Dass Russland und China
nicht in der Lage bzw. nicht gewillt waren, das zu verhindern,
zeigt deutlich die herrschenden Kräfteverhältnisse. Beide
Länder fühlen sich zur Zeit nicht stark genug, einer
solchen Bedrohung selbst in ihrer unmittelbaren Interessensphäre massiv
entgegenzutreten. Sie geben geostrategische Positionen
preis, um zunächst ihre Wirtschaft als wesentliche
Basis für langfristiges weltpolitisches Handeln weiter
voranzubringen (wie China, das für sein Stillhalten den
langersehnten Zutritt zur Welthandelsorganisation aushandelte) oder
sie zumindest zu konsolidieren (wie Russland).
Macht
und Ohnmacht des Weltpolizisten USA
Die
USA knüpfen nicht nur in ihrer Politik gegenüber Russland und
China wieder dort an, wo sie vor dem Anschlag auf das
World Trade Center aufgehört hatten, sie tun das auch gegenüber
der EU. Die Hoffnungen der westeuropäischen Regierungen,
die US-Außenpolitik werde sich angesichts der
Bedrohung durch Terroristen wieder multilateral orientieren, d.h.
ihr Vorgehen im Rahmen der NATO und der UN
absprechen und mit anderen wichtigen Ländern kooperieren, haben
sich als Illusion erwiesen. Anfängliche Zugeständnisse
der US-Regierung sind nach dem schnellen militärischen
Erfolg gegen die Taliban zurückgenommen worden.
Die USA agieren wie schon zuvor weitgehend auf eigene
Faust. Rücksprachen mit oder Rücksichtnahmen auf andere
Länder, seien es die Verbündeten in der NATO oder der
arabischen Welt, seien es Russland oder China, erscheinen den
USA nun nur noch selten angebracht. Man fühlt sich
nicht nur stark genug, die Position als einzige Weltmacht wahrzunehmen,
man will den günstigen Augenblick auch
nutzen, um sie dauerhaft zu sichern. Die
Voraussetzungen dafür sind gut, wesentlich besser als vor
dem letzten Golfkrieg unter Bush Senior. Damals hatten die
USA gerade ein wirtschaftlich schwieriges Jahrzehnt hinter sich
und gegenüber der Konkurrenz aus Westeuropa und Japan
stark an Boden verloren. Vor allem die beiden Hauptkonkurrenten Deutschland
und Japan hatten in den 80er Jahren deutlich
aufgeholt. In der öffentlichen und auch der wissenschaftlichen Diskussion
in den USA galten diese beiden Länder
damals zunehmend als Vorbilder. Heute stellt sich die
Situation gänzlich anders dar. Die USA haben ein Jahrzehnt enormen
wirtschaftlichen Wachstums hinter sich, Westeuropa
hinkt deutlich hinterher und Japan steckt seit über
10 Jahren in einer Dauerkrise. Das Bruttosozialprodukt Deutschlands und Japans
ist zwischen 1990 und 2000 nicht einmal
halb so schnell gewachsen wie das der USA. Dementsprechend werden
die USA in den Medien heutzutage fast auf
allen Gebieten (von der Wirtschaft über die Wissenschaft bis
hin zur Bildung) als Vorbild bewundert und gefeiert.
Diese
Umkehrung der Verhältnisse ist ein entscheidender Unterschied
zu 1991. Der zweite, nicht minder wichtige ist die
endgültige Auflösung der Sowjetunion. Mussten die USA beim
ersten Golfkrieg die Sowjetunion noch als zwar stark geschwächten,
aber noch immer existenten militärischen und
politischen Faktor der Weltpolitik einkalkulieren, so kann
diese Rücksichtnahme jetzt entfallen. Es gibt auf der weltpolitischen
Bühne keinen auch nur annähernd gleichwertigen Mitspieler
mehr. Das lassen die USA ihre Verbündeten ebenso
spüren wie ihre aktuellen oder potentiellen Gegner.
Selbst Tony Blair, der hoffte, für seine fast bedingungslose Unterstützung
ein wenig Mitsprache zu bekommen, musste
erfahren, dass die USA ihre Pläne ohne Rücksprache mit
ihm konzipieren und verfolgen. Die
Dominanz der USA darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass
auch sie ihre Grenzen hat. Die faktische Weigerung der israelischen Regierung,
die Nahost-Mission von
Powell durch einen Rückzug aus den besetzten Städten des
Westjordanlandes zu erleichtern, hat das mehr als deutlich
demonstriert. Die USA, das ist ein entscheidender Schwachpunkt,
sind trotz all ihrer militärischen Überlegenheit nicht
in der Lage, überall dort direkt und vor allem erfolgreich einzugreifen,
wo sie es für erforderlich halten. Das gilt nicht
nur für Israel und Palästina, sondern derzeit auch für den
Irak.
Die
Pläne der Bush-Regierung, Saddam Hussein zu stürzen, kranken
gleich an mehreren Schwächen. Entscheidend sind
zwei. Zum einen können die USA nicht auf eine militärisch
wirklich handlungsfähige Opposition im Lande selbst
zurückgreifen. Das ist ein großes Handicap. Im Falle eines
Angriffs müssten sie den Bodenkrieg weitgehend mit eigenen
Truppen bestreiten. Sie könnten diese gefährliche Arbeit
nicht wie in Afghanistan der internen Opposition überlassen
und sich in erster Linie auf die relativ ungefährliche Unterstützung
aus der Luft beschränken. Da niemand genau
weiß, wie die US-Bevölkerung reagieren wird, sollte es eine
größere Zahl eigener Opfer geben, zögert Bush. Zum anderen sind die USA trotz
ihrer Flugzeugträger für einen Bodenkrieg
auf Stützpunkte auf der arabischen Halbinsel angewiesen.
Sie dürfen die arabischen Staaten also nicht völlig verprellen.
Die israelische Politik macht es ihnen augenblicklich aber
unmöglich, den verbündeten arabischen Regierungen
zumindest soweit entgegen zu kommen, dass diese
ihr Gesicht wahren können. Die Massendemonstrationen in
Kairo oder Amman bedrohen die Regierungen Ägyptens und
Jordaniens zwar nicht wirklich, sie zeigen aber die instabile
innenpolitische Lage in diesen Ländern. Ein Angriff auf
den Irak vom Boden Saudi-Arabiens aus könnte die
Situation derart destabilisieren, dass größere Unruhen und auch
Anschläge auf die dort stationierten US-Truppen nicht mehr
auszuschließen sind. Dem entgegen zu wirken, war der Sinn
der Missionen von Cheney und Powell, die aber letztlich gescheitert
sind. Dasselbe trifft auch auf die Reise des saudischen
Prinzen nach Washington zu. Die Lage bleibt dementsprechend
instabil.
Die
unumstrittene Weltmachtposition der USA weist noch
einen zweiten grundlegenden Schwachpunkt auf. Die USA
sind für eine dauerhafte Sicherung ihrer derzeitigen militärischen
Überlegenheit darauf angewiesen, dass die anderen
entwickelten Industriestaaten ihr chronisches Außenhandelsdefizit
durch den Kauf von US-Anleihen und -Schatzbriefen finanzieren. Die gigantischen
Aufrüstungsprogramme der
USA können nur dann dauerhaft fortgesetzt werden, wenn
der Dollar die unumstrittene Weltreservewährung Nummer
eins bleibt. Nur dann nämlich können die Rüstungskosten
durch einen drastischen Sturz des Dollarkurses zu
erheblichen Teilen auch den ausländischen Gläubigern aufgeladen
werden. Das war schon zum Ende des Vietnamkrieges so,
als die feste Parität des Dollar zu den anderen Währungen
aufgegeben wurde und der Dollar von vier DM auf
3,20 DM sank. Unter Ronald Reagan hat sich das Ganze dann
wiederholt. Der Dollar stieg zunächst auf über drei DM, weil
die USA sich für die Durchführung ihrer Rüstungspläne auf
den Kapitalmärkten enorm verschulden mussten, um anschließend
auf unter 1,40 DM abzustürzen. Wer als Ausländer damals
US-Anleihen oder -Schatzbriefe beim höchsten Dollarkurs
gekauft hatte, bekam nicht einmal mehr die Hälfte
seines investierten Geldes zurück, wenn er sie zum niedrigsten
Kurs verkaufen musste oder sie genau dann ausliefen.
In
beiden Fällen fand eine indirekte Finanzierung der Rüstungsprogramme
durch die anderen Industriestaaten bzw.
private ausländische Investoren (vom Großanleger bis zum
Kleinsparer, der Investmentfondanteile kauft) statt. Die militärische
Überlegenheit der USA ist also zu einem nicht unerheblichen
Teil fremdfinanziert. Sollte der Euro die Position des
Dollar als Weltreservewährung ernsthaft in Frage stellen,
wäre dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt. Auf lange
Sicht stellt das eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für
die US-Politik dar. Deshalb versuchen die USA nicht
nur, ihre Dominanz auf den Weltfinanzmärkten durch die
verschiedensten Maßnahmen (wie z. B. die weltweite Durchsetzung
ihrer Bewertungsstandards ) zu sichern, sie nutzen
die für sie derzeit außerordentlich günstige Situation auch
aus, um mit der Entwicklung neuer Rüstungssysteme, dem
Ausbau ihrer militärischen Kapazitäten und der Etablierung von
Stützpunkten in allen wichtigen Regionen der Welt Fakten
zu schaffen.
Der
Sturz des Regimes von Saddam Hussein stellt ein (nicht
unwichtiges) Element in diesem Prozess dar. Dementsprechend werden
die USA versuchen, ihn in die Tat umzusetzen.
Ob das tatsächlich gelingt, bleibt angesichts der geschilderten Schwierigkeiten abzuwarten. Eines kann man auf jeden Fall sagen: Je heftiger die Proteste in der arabischen Welt und in Europa ausfallen, um so größer sind die Probleme für die US-Regierung, um so eher ist damit zu rechnen, dass es zu keinem Krieg gegen den Irak kommt. 8.4.2002