Die Gruppe Arbeiterpolitik existiert
seit 1947. In ihr schlossen sich GenossInnen zusammen, die aus der
Kommunistischen Partei Deutschlands - Opposition (KPO) und der 1931
gegründeten Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) kamen.
Die Gruppe Arbeiterpolitik
kritisierte, dass die KPD sich dem Potsdamer Abkommen und damit der Politik
der Besatzungsmächte in Ost und West unterwarf und somit auf die Entwicklung
einer eigenständigen Politik verzichtete. Kommunistische Politik müsse von
den Klasseninteressen der in Deutschland lebenden Arbeiter und Angestellten
ausgehen und könne nur so einen wirksamen Beitrag zum internationalen
Klassenkampf leisten.
Die Gründer der Gruppe
Arbeiterpolitik bezogen sich in ihrem Selbstverständnis auf eine
kommunistische Tradition, deren Wurzeln im Spartakusbund und damit in der
deutschen Arbeiterbewegung liegen. Diese Linie fand ihre Fortsetzung in der
zur Jahreswende 1918/19 gegründeten KPD und ab Herbst 1928 in der
Kommunistischen Partei Deutschland - Opposition (kurz: KPO). Sie ist ab
dieser Zeit verbunden mit Namen wie Heinrich Brandler und August Thalheimer.
Neben der Gruppe Arbeiterpolitik ist dieses Selbstverständnis von
kommunistischer Politik noch in der Gruppe Arbeiterstimme lebendig. Sie ging
aus einer Abspaltung Anfang der 70er Jahre hervor.
Für beide ist zentraler
Bestandteil ihrer Überzeugung, dass die Arbeiterklasse eine von den
bürgerlichen Parteien unabhängige Bewegung selbst schaffen muss. Die
Kommunisten müssen
aktiver
Teil dieser Entwicklung
sein
durch Analyse und
Aufklärung auf marxistischer Grundlage einen Beitrag zur politischen und
organisatorischen Formierung der Lohnabhängigen leisten.
Seit 1948 erscheinen die
politischen Stellungnahmen der Gruppe Arbeiterpolitik in der Zeitung
„Arbeiterpolitik“. Sie wurde bis 1959 als Zeitung herausgegeben, nach kurzer
Unterbrechung ab 1960 als „Briefe an unsere Leser“, dann als
"Informationsbriefe der Gruppe Arbeiterpolitik".
Vom Standpunkt des internationalen
proletarischen Klassenkampfes wird in ihr Stellung genommen zu wichtigen
politischen Fragen. Dazu erscheinen Korrespondenzen über eigenständige
Aktivitäten von Arbeitern und Angestellten in Betrieben, Gewerkschaften und
sonstigen Initiativen. Die "Arbeiterpolitik" erscheint derzeit vier bis
sechsmal im Jahr.
Des Weiteren vertreibt die Gruppe
Arbeiterpolitik über die "Gesellschaft zur Förderung des Studiums der
Arbeiterbewegung e.V." (GFSA) Broschüren zu aktuellen Fragen der Politik
und eine Reihe Nachdrucke von noch immer wichtigen Texten aus der
kommunistischen Bewegung.
Zur Entwicklung der KPO
In der 1919 nach der Oktoberrevolution
gegründeten Kommunistischen Internationale (KI) und ihren Sektionen wurden
intensive Diskussionen geführt um aus dem Versagen der Parteien der II.
Internationale zu lernen. Diese hatten sich zu Kriegsbeginn 1914 auf die
Seite der herrschenden Klassen ihrer Länder geschlagen und damit den
internationalistischen Standpunkt in der Kriegsfrage, den die II.
Internationale in einer Vielzahl von Resolutionen und Kongressbeschlüssen
jahrelang immer wieder bestätigt hatte, aufgegeben. Mit der Entscheidung,
sich auf die Seite der eigenen Bourgeoisie zu schlagen, hatten die Parteien
der II. Internationale auch die Perspektive einer Machteroberung aufgegeben.
Als sich die nach Kriegsende 1918 gehegten
Hoffnungen auf eine baldige revolutionäre Umgestaltung einiger entwickelter
kapitalistischer Länder Europas nicht erfüllte, bekam die KI einen anderen
Charakter. Immer stärker setzten sich in ihr die russischen Kommunisten
durch, die als siegreiche Revolutionäre auch unter den Kommunisten außerhalb
der Sowjetunion eine hohe Autorität besaßen. Damit aber übertrugen sie die
in der KPdSU entbrannten Fraktionsauseinandersetzungen auf die Komintern.
Diese waren im Kampf um die Nachfolge Lenins und der Frage entstanden,
welchen Weg der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion einschlagen solle.
Die KI besaß nach zehn Jahren den Charakter
eines Instrumentes der sowjetischen
Außenpolitik.
Die kommunistischen Parteien in den
kapitalistischen Ländern konnten unter diesen Voraussetzungen sich nicht
eigenständig einen Weg zur Überwindung des reformistischen Einflusses in der
Arbeiterklasse erarbeiten. Ende 1928 kam es in der KPD zu heftigen
Auseinandersetzungen um den Kurs der Partei. Gegen die von der KI und der
Mehrheit der KPD verfolgte ultralinke Linie trat eine sog. „rechte“
Opposition auf, die sich vor allem gegen den Gewerkschaftskurs und die
Taktik der Partei im Verhältnis zur SPD wandte. Nach ihrer Überzeugung
musste der neue Kurs der KPD zu einer Spaltung der Gewerkschaften führen und
längerfristig die Kommunisten von noch unter reformistischem Einfluss
stehenden Arbeitern isolieren.
Die 1928/29 aus der KPD
ausgeschlossenen Mitglieder vereinigten sich mehrheitlich zur Jahreswende
1928/29 in der Kommunistischen Partei Deutschland - Opposition.
In den folgenden Jahren
erreichte die KPO mit ihrer Kritik an der
Taktik der KPD nur einen Teil der in der Partei verbliebenen Mitglieder. Sie
war deshalb nicht in der Lage, die Politik der KPD zu ändern. Sie blieb aber
stark genug, um auf der Grundlage ihrer politischen Einschätzungen, resp.
der Faschismusanalyse, eigenständig als organisatorischer Zusammenhang ab
1933 in der Illegalität weiterarbeiten zu können.
Der Kampf um die richtige
Taktik wurde nicht nur in der KPD geführt, sondern auch in anderen Sektionen
der KI. In den Jahren 1929 und 1930 wurden größere oder kleinere Gruppen aus
den jeweiligen Parteien ausgeschlossen. Sie gründeten 1930 die
„Internationale Vereinigung der Kommunistischen Opposition“ (IVKO). Die IVKO
suchte sich eine gemeinsame Plattform zu verschaffen und veröffentlichte
unter der Redaktion von M.N. Roy, dem wichtigsten Theoretiker der indischen
Kommunisten, und A. Thalheimer die Diskussionszeitschrift INKOPP. Die
meisten Organisationen der IVKO konnten sich jedoch nicht auf Dauer damit
abfinden, „nur“ eine kommunistische Richtung zu sein und verließen die IVKO
in Richtung Sozialdemokratie oder lösten sich auf. Ab 1935 bestand die IVKO
im wesentlichen nur noch aus der deutschen und der amerikanischen
Organisation. Die letztere kapitulierte 1939.
Kommunistische Politik nach der Befreiung
vom Faschismus
Sozialdemokraten,
KPD-Mitglieder u. a. sahen 1945 in den Alliierten Befreier. Diese Sichtweise
entsprach nur teilweise den Tatsachen. Zwar wurden die Zwangsarbeiter,
überlebende KZ-Häftlinge, illegal Lebende, Exilierte u. a. von den
Siegermächten befreit, doch diese Befreiung war keine Selbstbefreiung. Die
deutsche Arbeiterklasse hatte nicht die Kraft, dem Faschismus ein Ende zu
bereiten und die gesellschaftlichen Verhältnisse im sozialistischen Sinn
eigenständig umzugestalten. Im Westen stieß sie zusätzlich auf den erklärten
Widerstand der Besatzungsmächte, im Osten auf eine Macht, die jede
Eigeninitiative im Keime erstickte.
Im Gegensatz zur SPD und der KPD
verweigerten die Mitglieder und Sympathisanten der Gruppe Arbeiterpolitik
die Zusammenarbeit mit den kapitalistischen Siegermächten, dem
internationalen Klassengegner.
Weder für ihre
Organisation noch für ihre Zeitschrift holte die Gruppe - im Gegensatz zu
den Zeitungen der Parteien und den bürgerlichen Zeitungen - eine Lizenz ein.
Die "Arbeiterpolitik" erschien in der Besatzungszeit illegal.
Die Gruppe Arbeiterpolitik wandten sich
gleichzeitig gegen eine Unterordnung unter die Interessen der
Besatzungsmacht Sowjetunion, weil sie in der Selbstbestimmung der
Arbeiterklasse die Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus sah. Im
Osten Deutschlands hatten die oppositionellen Kommunisten auf Dauer
allerdings keine Wahl. Die Mehrheit von ihnen entschied nach einiger Zeit,
sich am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu beteiligen und auf den
Erhalt eines eigenen organisatorischen Zusammenhangs zu verzichten, im
vollen Bewusstsein der Schwierigkeiten, die damit verbunden waren. Ein
kleinerer Teil floh in den Westen, um sich drohenden langjährigen
Haftstrafen zu entziehen oder aber um nach einer mehrjährigen Inhaftierung
eine dauerhafte gesellschaftliche Isolierung zu entgehen.
August Thalheimers Broschüren
"Die Potsdamer Beschlüsse" und "Grundlinien und Grundbegriffe der Politik
nach dem 2. Weltkrieg" wurden zur programmatischen Grundlage der Genossinnen
und Genossen in Westdeutschland. Auch
wenn die damaligen gesellschaftlichen Bedingungen heute nach dem Zerfall des
sozialistischen Lagers nicht mehr bestehen, so haben beide Broschüren nach
wie vor noch eine Bedeutung, weil ohne sie die
nach 1945 sich entwickelten internationalen
Kräftekonstellationen nicht verstanden werden können.
Die Gruppe Arbeiterpolitik trat in den
folgenden Jahren gegen die Politik der Demontage in West wie Ost auf, weil
diese den arbeitenden Menschen die Lebensgrundlagen entzog. Im Kampf gegen
die Demontage in Salzgitter organisierten Genossinnen und Genossen der
Gruppe Arbeiterpolitik den Widerstand gegen die Sprengung der Fundamente der
Stahlwerke durch die britische Besatzungsmacht. Die SPD, die
Industriegewerkschaft Metall und anfangs auch die KPD stellten sich gegen
diesen Kampf.
In der ganzen Zeit der
Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg hat sich unsere Gruppe – soweit es in
ihren Kräften stand - an den Klassenauseinandersetzungen in Deutschland
beteiligt, Solidarität für selbstständig kämpfende Belegschaften organisiert
und die Erfahrungen in der "Arbeiterpolitik"
aufgearbeitet.
Kommunistische Politik heute
Die Lohnabhängigen sind heute
politisch desorientiert und ohne Klassenbewusstsein. Ursache dafür ist in
Westdeutschland die Nachkriegsentwicklung mit ihrem wirtschaftlichen
Aufschwung, den Konzessionen der wieder erstarkten herrschenden Klasse
Deutschlands an die Lohnabhängigen, dem Antikommunismus und der
Stellvertreterpolitik der Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Der
Niedergang des sozialistischen Lagers hat bei vielen Linken zu Resignation
und Fatalismus geführt und ihnen den perspektivischen Blick über die
bürgerliche Gesellschaft, über den Kapitalismus hinaus, zunächst sehr viel
schwerer gemacht.
Nach dem Zerfall des
sozialistischen Lagers kann das Kapital gegenwärtig nahezu grenzenlos
schalten und walten. Freiwillige Zugeständnisse brauchen die Kapitalisten
der Arbeiterklasse nicht mehr zu machen. Die sozialen Standards werden Stück
für Stück abgebaut. Die Gewerkschaften stehen der Entwicklung hilf- und
orientierungslos gegenüber. Die Massenarbeitslosigkeit steigt. Die
Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen schreitet voran. Seit dem
Amtsantritt der von SPD und Grünen getragenen Bundesregierung 1998
interveniert die deutsche Bourgeoisie zur Wahrung ihrer imperialistischen
Interessen auch militärisch in anderen Ländern.
Wir stehen heute vor der
Frage: Wie können Kommunisten in dieser historischen Konstellation Einfluss
unter den lohnabhängigen Menschen gewinnen? Die objektiven Voraussetzungen
dafür schafft das Kapital nach und nach selbst durch seine krisenhafte
Entwicklung. Eine Möglichkeit, um wieder Rückhalt bei den Arbeitern,
Angestellten und Arbeitslosen zu finden, besteht sicher darin, die Ursachen
für die instabilen gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuzeigen. Dies wird
nur gelingen, wenn wir an den praktischen Erfahrungen der Lohnabhängigen
ansetzen. Ziel muss die Förderung von Klassenbewusstsein und längerfristig
die Formierung einer handlungsfähigen politischen Organisation sein.
Angesichts der gegenwärtigen
Offensive des Kapitals und der Formierung des bürgerlichen Lagers ist es für
Kommunisten notwendig, gemeinsam die Erfahrungen der kommunistischen
Bewegung aufzuarbeiten, die gegenwärtigen ökonomischen wie politischen
Kräfteverhältnisse schonungslos zu analysieren und sich mit den
unterschiedlichen Spielarten der zeitgenössischen bürgerlichen Ideologie
auseinander zu setzen, um einen Weg zum Sozialismus zu finden.
Unter den Bedingungen der
Internationalisierung der Produktion, der massiven Ausweitung des
Welthandels und des internationalen Kapitaltransfers ist dabei ein
proletarisch-internationalistischer Standpunkt notwendiger denn je. Hier
gilt es, die Erfahrungen und Auseinandersetzungen in den wichtigsten Ländern
in die eigene Analyse einzubeziehen, Grundlinien und Grundbegriffe der neuen
Weltlage herauszuarbeiten und zu einem sich intensivierenden Austausch und
gemeinsamem Handeln mit den kommunistischen Kräften in den anderen Teilen
Europas und der Welt zu gelangen.
Gruppe Arbeiterpolitik, März 2006 |